Affenpocken: wenig Impfstoff, Impfung kein Allheilmittel und Hund von Herrchen infiziert

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Die WHO warnt Agentur-Meldungen zufolge nach Meldungen von Impfdurchbrüchen bei Affenpocken davor, das Impfen als Allheilmittel zu betrachten. Es gebe zwar noch keine randomisierten, kontrollierten Studien, aber die Meldungen legten nahe, dass man sich nicht auf den Impfschutz allein verlassen sollte, so Dr. Rosamund Lewis von der WHO. 

„Wir haben von Anfang an gewusst, dass dieser Impfstoff kein Allheilmittel sein würde, dass er nicht alle Erwartungen erfüllen würde, die in ihn gesetzt werden“, wird Lewis unter anderem im Hamburger Nachrichtenmagazin „Spiegel“ zitiert. Impfdurchbrüche würden sowohl bei Menschen vorkommen, die nach einem möglichen Kontakt mit einem Infizierten geimpft worden seien,  als auch bei jenen, die sich vorsorglich hätten impfen lassen.

Lewis habe betont, dass Geimpfte mindestens zwei Wochen nach der zweiten Impfdosis warten müssen, damit der Stoff seine volle Wirksamkeit entfalten könne. WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus habe laut dem Beitrag schon Ende Juni darauf hingewiesen, dass alle Menschen vorsichtig sein sollten. Er sei besorgt über eine anhaltende Übertragung, „denn das würde bedeuten, dass sich das Virus etabliert und auch Hochrisikogruppen wie Kinder, immungeschwächte Menschen und schwangere Frauen betreffen könnte“. 

Zu wenig Impfstoff?

Ein weiteres Problem mit der Impfung gegen das Affenpockenvirus ist die Menge des verfügbaren Impfstoffes.

Nach derzeitigem Wissen sei für eine Übertragung des Erregers ein enger Kontakt erforderlich, so das Robert-Koch-Institut. Bisher traten die allermeisten Infektionen bei Männern auf, die häufigen Sex mit Männern haben (MSM). Doch einzelne Fälle deuten bereits darauf hin, dass der Erreger sich langsam aus dieser sogenannten MSM-Community heraus bewegt. Laut RKI scheint es gleichwohl möglich zu sein, „den aktuellen Ausbruch in Deutschland zu begrenzen, wenn Infektionen rechtzeitig erkannt und Vorsichtsmaßnahmen umgesetzt werden. Informationen zu Symptomen, Übertragungswegen und Schutzmöglichkeiten, u.a. auch die Möglichkeit einer Impfung, sind daher essentiell".

Bislang hat die Bundesregierung 240.000 Impfstoffdosen bestellt, von denen zunächst 40.000 ausgeliefert worden seien. Aus EU-Beständen sind einige weitere dazu gekommen. 200.000 sollen bis Ende September folgen. Laut der Deutschen Aidshilfe werden aber etwa eine Million Impfdosen benötigt, um einer halben Million Menschen mit erhöhtem Infektionsrisiko einen dauerhaften Impfschutz zu bieten. Länder wie Großbritannien und Belgien meldeten zuletzt einen Mangel an Impfstoff. Auch die USA fürchten Engpässe, weshalb es die FDA nun ermöglicht hat, den Impfstoff mit einer geringeren Dosis nicht wie üblich in den Muskel, sondern intradermal zu spritzen.

Das „Science Media Center Germany“ hat kürzlich Infektiologen dazu befragt, inwieweit die bisherigen Mengen des Affenpocken-Impfstoffs mit Blick auf noch steigende Fallzahlen ausreichen und ob intradermale Impfungen eine gleichwertige Alternative seien könnten.

Impfstoff-Produktion nicht einfach 

Laut Professor Dr. Ulrike Protzer (Direktorin des Instituts für Virologie der TU München) wird man „an der aktuellen Impfstoff-Verfügbarkeit nicht viel ändern können. Der Impfstoff ist leider nicht so ganz einfach zu produzieren, und es gibt nur einen Produzenten. Das ist die Firma Bavarian Nordic (BN). Das ist aber keine große Pharmafirma mit extensiven Produktionskapazitäten“. Sie kenne zwar die potenzielle Kapazität nicht und inwieweit diese zeitnah ausgebaut werden könne, erklärt Protzer.  Man sollte aber sicher auch die Aus-Lizensierung des BN-MVA-Impfstoffs an andere GMP-Hersteller diskutieren (BN-MVA oder ,Imvanex‘ ist der bisher einzige auch für die Affenpocken zugelassene Impfstoff). Wenn das nicht möglich sei, „sollte man auf das MVA zurückgreifen, das in den 70er Jahren in Bayern an mehr als 120.000 Menschen verimpft wurde und das zu dem BN-MVA fast identisch ist“. 

Intradermale Injektion: Schmerzen und Hautreaktionen

Bei intradermaler Injektion des Impfstoffes könnte eine geringere Dosis ausreichen. Aber, so Protzer, das sei ziemlich schmerzhaft und habe in einer Studie bei vielen Impflingen auch zu Hautreaktionen geführt, die mehr als 28 Tage angehalten hätten. Auch wenn der Impfstoff sonst sehr gut vertragen werde. Sie befürchte aber, „dass eine heftige lokale Reaktion auch für die Akzeptanz der Impfung nicht gut wäre“, sagt die Virologin abschließend.

Die Impfung allein wird nicht ausreichen

„Die Zahl von Personen, die ein erhöhtes Infektionsrisiko haben und deshalb geimpft werden sollten“, sei ihm  zwar nicht bekannt, sagt Professor Dr. Gerd Fätkenheuer, Leiter der Infektiologie der Uniklinik Köln. Es seien aber sicher wesentlich mehr als 240.000 in Deutschland. Von daher werde die Impfung allein nicht ausreichen, um die derzeitige Ausbreitung der Affenpocken vollständig zu unterbinden. Es seien also zusätzliche Bemühungen notwendig, „die vor allem darauf abzielen sollten, das Ansteckungsrisiko zu vermindern“. Er sein allerdings optimistisch: Mittels Aufklärungskampagnen, Verhaltensänderungen und Impfungen lasse sich die Ausbreitung deutlich vermindern.

Intrademale Injektion wenig praktikabel

Die intrademale Injektion mit verringerter Impfstoffmenge wäre laut Fätkenheuer zwar eine interessante Alternative. Aber allein aus praktischen Gründen halte er das nicht für umsetzbar. Der Impfstoff liege gegenwärtig in Ampullen mit 0,5 Milliliter vor, die zur subkutanen Injektion in eine Spritze aufgezogen werden müssten. Das sei bereits jetzt eine ziemlich geringe Menge. Wenn man daraus fünf Spritzen à 0,1 Milliliter aufziehen wolle, sei das schon von der Handhabung her ziemlich schwierig. Noch größer erscheine ihm das Problem der intradermalen Injektion selbst. Wenn man hier nicht spezielle Vorrichtungen zur Verfügung habe, sei das technisch ganz schön schwierig. Außerdem brauche man dafür länger als für eine subkutane Injektion. Er halte von dieser Idee sehr wenig, so Fätkenheuer.

Affenpocken: Zwei Männer und auch ihr Hund infiziert

Das humane Affenpockenvirus kann womöglich von Menschen auf Hunde übertragen werden. Dies schlussfolgern französische Wissenschaftler aus den Krankengeschichten von zwei homosexuellen Männern mit Affenpocken und ihrem vierbeinigen Lebenspartner.

In einem Brief im Fachmagazin „The Lancet“ beschreiben die Infektiologen und Infektiologinnen um Dr. Sophie Seang (Sorbonne, Paris) den ihres Wissens nach ersten Fall eines domestizierten Hundes mit bestätigter Affenpocken-Infektion, die möglicherweise von Menschen erworben wurde.

Wie die Autoren berichten, suchten zwei homosexuelle, 44 und 27 Jahre alte Männer das Krankenhaus Pitié-Salpêtrière in Paris auf, da sich bei ihnen sechs Tage nach dem Sex mit anderen Partnern anale Ulzerationen entwickelt hatten.

Bei dem 44-jährigen Patienten folgte ein vesikulopustulärer Ausschlag im Gesicht, an den Ohren und an den Beinen, bei dem jüngeren Mann an den Beinen und am Rücken. In beiden Fällen war der Ausschlag vier Tage später mit Asthenie, Kopfschmerzen und Fieber verbunden. Bei beiden Männern wurde das Affenpockenvirus mittels PCR nachgewiesen. 

Knapp zwei Wochen später stellten die Männer ihren vier Jahre alten Windhundrüden vor, da ihnen am Bauch des Hundes Pusteln und eine Analulzeration aufgefallen waren. Ebenso wie bei den Männern zuvor ergaben auch bei dem Rüden Untersuchungen der Hautläsionen sowie Abstriche vom Anus und der Mundhöhle eine Infektion mit Affenpockenviren. Die DNA-Analysen des Affenpockenvirus von Hund und Patient 1 ergaben, das es sich um jenes Virus handelte, das sich seit April 2022 in nicht endemischen Ländern ausbreitet und bis zum 4. August 2022 mehr als 1700 Menschen in Frankreich infiziert hat. Wie Sophie Seang und ihre Kollegen weiter berichten, gaben die Männer an, gemeinsam mit ihrem Hund in einem Bett zu schlafen. Ihre Ergebnisse sollten Anlass zu einer Debatte über die Notwendigkeit sein, Haustiere von Affenpockenvirus-positiven Personen zu isolieren, empfehlen die Infektiologen.