Affenpocken: Viruslast in Analregion, Samenflüssigkeit und Mundbereich am höchsten
- Dr. Nicola Siegmund-Schultze
- Studien – kurz & knapp
Kernbotschaften
In einer großen Fallserie mit Männern, die eine symptomatische Affenpockeninfektion hatten, waren die Viruskonzentrationen in Hautläsionen, in der Analregion, im Oropharynxbereich und in Samenflüssigkeit am höchsten. Die Viruslast korreliert mit dem Infektionspotenzial. Innerhalb von zwei Wochen nach Auftreten der Symptome waren bei einem großen Teil der Patienten die Viren auf der Haut und aus den Körperflüssigkeiten eliminiert oder zumindest deutlich weniger.
Hintergrund
Die Gründe dafür, warum sich die Affenpocken seit Mai diesen Jahres weltweit so stark verbreitet haben, werden noch immer untersucht. Der Weltgesundheitsorganisation sind seither 71 237 laborbestätigte Fälle aus 107 Ländern gemeldet worden (Stand: 06.10.2022; [1]). Nicht vollständig geklärt ist, ob es Unterschiede im Infektionspotenzial der verschiedenen Körperregionen gibt. Die Viruslast ist ein Parameter, um das Infektionspotenzial abzuschätzen. In einer großen Fallserie mit symptomatisch infizierten Männern haben Forscherinnen und Forscher der Sorbonne und des Zentrums für Infektionskrankheiten und Immunologie (CIMI) in Paris nun die Viruskonzentrationen in Proben der Körperoberfläche und von Körperflüssigkeiten zu verschiedenen Zeitpunkten bestimmt (2).
Design
- Studienform: Fallserie von 50 Männern, die symptomatische und laborgesicherte Infektionen mit Affenpocken (MPXV) hatten
- Charakteristika der Teilnehmer:
- durchschnittliches Alter 34 Jahre
- bis auf einen Mann gaben alle Teilnehmer an, Sex mit Männern zu haben
- HIV-Infektionen: 44 %
- keine medikamentöse Therapie der Virusinfektion
- Analysen: quantitative PCR-Tests an Probenmaterial von Hautläsionen, aus dem Oropharynx- und dem Analbereich, aus Blut, Samenflüssigkeit und Urin zum Zeitpunkt der Diagnose und 14 Tage später
- Bestimmung des Ct-Werts (Schwellenwertzyklus), einem relativen Maß für die Konzentration des Virus in der PCR-Untersuchung; je höher der Ct -Wert, desto niedriger die Viruskonzentration
Hauptergebnisse
- Zum Zeitpunkt der Diagnose wurden die Viren am häufigsten in Hautproben nachgewiesen (88 % ), bei 77 % der Männer auch im Oropharynxbereich, bei 71 % in der Analregion, bei 54 % in Samenflüssigkeit, bei 29 % im Blut und bei 22 % im Urin.
- Die Viruslast war am höchsten in den Hautläsionen (Ct-Wert 19,8) und Proben der Analregion (Ct-Wert 20,9), es folgten der Mundbereich (Ct-Wert 27,2), Samenflüssigkeit (Ct-Wert 27,8), Urin (Ct-Wert 31,1) und Blut (Ct-Wert 32,8).
- Zwei Wochen nach Diagnose konnten von der Hälfte der Teilnehmer ein weiteres Mal Proben genommen werden (107 Proben).
- Der Anteil positiver Proben hatte zu Tag 14 deutlich abgenommen. 22 % der Hautproben waren noch positiv, jeweils 9 % der Proben aus dem Analbereich und aus dem Samen, 5 % der Blutproben und keine Urinprobe.
Klinische Bedeutung
Neu an der Studie ist die Bestimmung der Viruslast an verschiedenen Körperlokalisationen und im Zeitverlauf. Erst vor Kurzem hatten israelische Forscher eine klare Korrelation zwischen MPXV-Konzentration und Infektiosität belegt (3). Bei einem Ct-Wert ≥ 35, entsprechend ≤ 4 300 MPXV-Kopien/mL, sei eine Ansteckung selten.
Die aktuelle Studie weist nach Meinung der Forscher daraufhin, dass der direkte Haut-Haut-Kontakt und ein Kontakt mit Samen ein höheres Infektionsrisiko berge als ein Kontakt mit Urin oder Blut (2). Die Phase der Virämie sei vermutlich deutlich kürzer als das Abheilen der Hautläsionen.
In Deutschland sind bis Anfang Oktober (7.10.2022) 3 645 Affenpockenfälle an das Robert Koch-Institut (RKI) übermittelt worden, Deutschland steht weltweit auf Platz 6 mit der Fallzahl (1; 4,5). Das RKI empfiehlt Ärztinnen und Ärzte, Affenpocken bei unklaren pockenähnlichen Hauteffloreszenzen auch ohne bekannte Reiseanamnese nach West- oder Zentralafrika in die differenzialdiagnostischen Überlegungen miteinzubeziehen.
Finanzierung: keine Angaben
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