Affenpocken: Infektionsgeschehen in Deutschland – ein Update

  • Andrea Hertlein
  • Medizinische Nachrichten
Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten. Der Zugang zum gesamten Inhalt dieser Seite ist nur Angehörigen medizinischer Fachkreise vorbehalten.

Kernbotschaften

Am 20. Mai dieses Jahres wurde in Deutschland der erste Affenpockenfall gemeldet. Nur etwa zwei Monate später berichtet das Robert Koch-Institut (RKI) über insgesamt 2268 laborbestätigte Affenpockenerkrankungen aus allen 16 Bundesländern (Stand: 22.7.). Davon wurden mehr als die Hälfte aus Berlin übermittelt, wie aus einer Situationsbeschreibung hervorgeht, die kürzlich im aktuellen Epidemiologischen Bulletin 29/2022 veröffentlicht wurde.

Spitzenreiter Berlin und Hamburg

Das Ausbruchsgeschehen konzentriert sich vorwiegend auf wenige große Städte, heißt es im RKI-Bericht. Neben Berlin mit 28 Fällen/100.000 Einwohner und Hamburg 4,5/100.000 Einwohner, gibt es mehrere Affenpocken-Fälle auch in München, Frankfurt am Main, Köln und Düsseldorf. Bis auf drei Fälle sind alle Infizierten männlich und haben ein durchschnittliches Alter von 38 Jahren. Bei einem Großteil der Erkrankten handelt es sich laut RKI um Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) . Die Übertragung sei wahrscheinlich im Rahmen sexueller Kontakte zwischen Männern erfolgt, so die Autoren. Auch bei den beiden weiblichen Infizierten soll es sexuelle Kontakte zu bestätigten Affenpockenfällen gegeben haben.

Während sich zu Beginn des Ausbruchs die Hälfte der Fälle vermutlich im Ausland infiziert hat, insbesondere während eines Gay Pride Festivals auf Gran Canaria, steckten sich im weiteren Verlauf die meisten Infizierten in Deutschland an, schreibt das RKI. Häufig wurden der Besuch von Treffpunkten für homosexuelle Männer wie Clubs oder Parties sowie Orte für sexuelle Gelegenheitskontakte wie Darkrooms oder Saunen angegeben.

Krankheitsverläufe anders als üblich

Normalerweise konzentriert sich der Ausschlag auf Gesicht, Handflächen und Fußsohlen. Bei den seit Mai dieses Jahres gemeldeten Fällen treten die Hautveränderungen häufig nur oder initial im Anogenitalbereich auf, was auf eine Übertragung während sexueller Kontakte hindeutet. Darüber hinaus können laut RKI unspezifische Krankheitssymptome wie Fieber, Kopf-, Muskel- und Rückenschmerzen, geschwollene Lymphknoten, Frösteln oder Abgeschlagenheit nur als Prodromalstadium auftreten, aber auch fehlen oder erst nach Beginn der Hautveränderungen auftreten.

Schwerwiegende Krankheitsverläufe scheinen im aktuellen Ausbruch glücklicherweise relativ selten zu sein, räumen die Autoren des Berichts ein. So wurden nur etwa 7 Prozent der Fälle ins Krankenhaus eingeliefert, keiner der Betroffenen in Deutschland ist bislang an der Infektion gestorben.

Übertragung hauptsächlich über sexuelle Kontakte

Die Erkrankten sind vermutlich ab dem Auftreten der ersten Symptome infektiös. Der Erreger findet sich in hoher Konzentration in den Hauteffloreszenzen, ist aber auch in Rachenabstrichen und anderen Körperflüssigkeiten nachweisbar, heißt es im RKI-Bericht. Dementsprechend erfolge die Übertragung vor allem durch direkten Kontakt mit Hautläsionen, aber möglicherweise auch durch Tröpfcheninfektion im Nahbereich. Vermehrungsfähige Viren wurden jedoch auch in der Samenflüssigkeit nachgewiesen, so dass auch dieser Infektionsweg in Betracht gezogen werden sollte, schreiben die Autoren.

Das Affenpockenvirus kann in der Umwelt über Wochen stabil bleiben, so dass theoretisch auch eine Infektion durch Kontakt mit kontaminierten Gegenständen erfolgen könnte, beispielsweise über Kleidung, Handtücher, Bettwäsche oder Sexspielzeuge, die von einer erkrankten Person benutzt wurden, heißt es weiter im Bericht. Doch auch wenn verschiedene Übertragungswege möglich erscheinen, sei die Alters- und Geschlechtsverteilung der bislang gemeldeten Fälle ein starkes Indiz dafür, dass die Infektionen im aktuellen Ausbruch hauptsächlich über enge körperliche Kontakte, zumeist im Rahmen sexueller Begegnungen, erfolgt seien.

Quarantäne mindestens für 21 Tage

Mit dem Ziel, Infektionsketten zu unterbrechen, empfiehlt das RKI Personen mit Symptomen, die auf eine Affenpockenerkrankung hinweisen könnten, unverzüglich in ärztliche Behandlung begeben und vorsorglich enge Kontakte zu anderen Menschen zu meiden. Falls die Affenpockendiagnose labordiagnostisch bestätigt wird, ordnet das Gesundheitsamt gemäß den aktuellen Empfehlungen die häusliche Isolation der erkrankten Person bis zum Abheilen aller Pusteln und dem Abfallen der Krusten, aber mindestens für 21 Tage ab Symptombeginn, an, so das RKI. Genesene sollten zudem für acht Wochen nach Ende der Quarantäne beim Geschlechtsverkehr Kondome benutzen.

Auch für enge Kontaktpersonen von Infizierten empfiehlt das RKI aktuell eine häusliche Quarantäne von 21 Tagen. Dazu zählen Sexpartner, Mitbewohner sowie Personen, die mit nicht-intakter Haut, über die Schleimhaut oder durch Nadelstich oder ähnliches in Kontakt zu einer an Affenpocken erkrankten Person oder deren Körperflüssigkeiten gekommen sind.

STIKO-Empfehlungen zur Impfung

Die Ständige Impfkommission (STIKO) hat eine Empfehlung für die Anwendung des im Menschen nicht vermehrungsfähigen Pockenimpfstoffs Modified Vaccinia Ankara (Imvanex/Jynneos, Bavarian Nordic) erstellt. Die STIKO empfiehlt sowohl die postexpositionelle Impfung von Kontaktpersonen, als auch die präexpositionelle Impfung von Menschen mit hohem Infektionsrisiko.  Dazu gehören derzeit MSM mit häufigem Partnerwechsel und Personal in Speziallaboren, die Kontakt mit infektiösem Probenmaterial haben. Bei eingeschränkter Impfstoffverfügbarkeit sollten laut STIKO Personen mit einer erhöhten Gefahr für einen schweren Verlauf, etwa Personen mit Immundefizienz bevorzugt geimpft werden. Eine nachhaltige Kontrolle des Ausbruchs sei am ehesten zu erwarten, wenn in den Gruppen, in denen viele Infektionen vorkommen, eine hohe Impfquote erreicht werden kann, betonen die Autoren.

Auch wenn eine Infektion mit Affenpocken bei einem Großteil der Betroffenen eher milde verläuft, ist es zu befürchten, dass es vermehrt zu schweren Krankheitsverläufen kommen wird, falls sich Kleinkinder, Schwangere oder Personen mit einer ausgeprägten Immundefizienz infizieren, warnt das RKI.