Affenpocken:- erste Erfahrungen mit antiviralen Medikamenten, Quarantäne und beruhigende Worte
- Dr. med. Thomas Kron
- Medizinische Nachrichten
Britische Erfahrungen mit sieben Patienten
Eine kleine retrospektive Studie mit sieben Affenpocken-Kranken in Großbritannien deutet darauf hin, dass einige antivirale Medikamente das Potenzial haben, die Symptome zu verkürzen und auch die Zeit, in der ein Patient ansteckend ist.
Die heute in der Fachzeitschrift „The Lancet Infectious Diseases“ veröffentlichte Studie beschreibt die ersten Fälle einer Übertragung des Affenpocken-Virus im Krankenhaus und in Privathaushalten außerhalb Afrikas; zudem berichten die Autoren über die Wirkung der beiden antiviralen Medikamenten Brincidofovir und Tecovirimat bei Patienten mit Affenpocken.
Die Studie ergab den Autoren zufolge wenig Hinweise auf den klinischen Nutzen von Brincidofovir, kam aber zu dem Schluss, dass weitere Untersuchungen zum Potenzial von Tecovirimat gerechtfertigt seien. Da die optimale Infektionskontrolle und die Behandlungsstrategien für diese Krankheit noch nicht feststünden, könnten die Daten aus der Studie dazu beitragen, weltweite Bemühungen um ein besseres Verständnis der Krankheit sowie der Übertragungsdynamik zu unterstützen.
„Während Beamte des öffentlichen Gesundheitswesens versuchen zu verstehen, was die Ursache für die Ausbrüche der Affenpocken im Mai 2022 in Europa und Nordamerika ist - von denen mehrere Patienten betroffen waren, die weder über Reisen noch über eine identifizierte Verbindung zu einem zuvor bekannten Fall berichteten - bietet unsere Studie einige der ersten Einblicke in den Einsatz von Virostatika zur Behandlung von Affenpocken beim Menschen", sagt Dr. Hugh Adler (Liverpool University Hospitals NHS Foundation Trust), Hauptautor der Studie.
Kein überzeugender Nutzen von Brincidofovir
Zwischen 2018 und 2019 wurden vier Patienten dieser Studie in Großbritannien gegen Affenpocken behandelt. Drei dieser Fälle wurden aus Westafrika importiert. Der vierte Fall trat bei einer medizinischen Fachkraft 18 Tage nach dem ersten Kontakt mit dem Virus auf und war das erste Beispiel einer Affenpocken-Übertragung in einem Krankenhaus außerhalb Afrikas. Die ersten drei Patienten wurden sieben Tage nach dem ersten Auftreten des Ausschlags mit Brincidofovir behandelt. Es wurde kein überzeugender Nutzen dieser Medikation festgestellt. Dennoch erholten sich alle drei Patienten vollständig, ebenso der vierte Patient, der sich im Krankenhaus infiziert hatte.
Ein Patient aus dem Vereinigten Königreich wurde mit Tecovirimat behandelt und zeigte eine kürzere Dauer der Symptome und der Virusausscheidung als die anderen Patienten in diesem Cluster. Die Autoren weisen jedoch darauf hin, dass bei einer so kleinen Kohorte keine Rückschlüsse auf die Wirksamkeit antiviraler Mittel gezogen werden können; sie fordern daher weitere Forschungen zu antiviralen Mitteln zur Behandlung dieser vernachlässigten Tropenkrankheit.
Kein Beginn einer neuen Pandemie
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) geht nicht davon aus, dass die Affenpocken in Deutschland zu einem großen gesundheitlichen Problem werden könnten. „Was wir mit den Affenpocken gerade erleben, ist nicht der Beginn einer neuen Pandemie“, sagte er auf einer Pressekonferenz beim Deutschen Ärztetag in Bremen. „Es hat schon sehr häufig Ausbrüche gegeben, und sie können durch Kontaktnachverfolgung und Vorsicht gut eingedämmt werden“, so Lauterbach. Man wisse jedoch nicht, warum die Ausbrüche derzeit anders verlaufen als zuvor. Eine Möglichkeit sei, dass der Erreger sich verändert habe, eine andere Möglichkeit sei, dass die Anfälligkeit der Menschen für den Erreger sich verändert habe. „Das alles gilt es jetzt herauszufinden“, sagte Lauterbach.
40.000 Impfdosen für Ringimpfungen in Deutschland
In Deutschland wurden bis Montagnachmittag insgesamt sechs Fälle von Affenpocken registriert. Weitere Fälle seien zu erwarten, hieß es gestern auf einer gemeinsamen Pressekonferenz von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und dem RKI-Präsidenten Lothar Wieler. Bei einer Infektion sollen Infizierte bis zum Abfallen der Krusten isoliert werden, mindestens 21 Tage. Auch für unmittelbare Kontaktpersonen von Infizierten gelte die „dringende Empfehlung", sich für drei Wochen in Quarantäne zu begeben. Die Bundesregierung hat 40.000 Impfdosen bestellt, um sich auf mögliche Ringimpfungen vorzubereiten. „Ob wir das dann auch tun müssen, ist zum jetzigen Zeitpunkt unklar“, so Lauterbach. Eine Impfung könne sowohl eine Ansteckung verhindern als auch den Ausbruch der Krankheit verhindern oder verzögern.
Dem Europäischen Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) zufolge wurden bisher 67 bestätigte Fälle in neun EU/EWR-Mitgliedstaaten (Österreich, Belgien, Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Portugal, Spanien, Schweden) gemeldet und mindestens weitere 42 Verdachtsfälle untersucht. In einer am 23. Mai veröffentlichten Risikobewertung empfiehlt das ECDC - wie berichtet, dass sich- EU-/EWR-Länder auf die unverzügliche Identifizierung, Verwaltung, Kontaktverfolgung und Meldung neuer Affenpocken-Fälle konzentrieren. Sie sollten ihre Kontaktverfolgungs-Mechanismen und ihre diagnostischen Kapazitäten für Orthopoxviren aktualisieren und die Verfügbarkeit von Pockenimpfstoffen, antiviralen Medikamenten und persönlicher Schutzausrüstung für Angehörige der Gesundheitsberufe überprüfen.
Dieser Volltext ist leider reserviert für Angehöriger medizinischer Fachkreise
Sie haben die Maximalzahl an Artikeln für unregistrierte besucher erreicht
Kostenfreier Zugang Nur für Angehörige medizinischer Fachkreise