Affenpocken: Droht eine neue Virus-Epidemie?

  • Dr. med. Thomas Kron
  • Medizinische Nachrichten
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Von Michael van den Heuvel 

Die Affenpocken breiten sich in Europa, Nordamerika und Australien immer weiter aus. Bis zum 22. Mai haben Behörden folgende Zahlen an Infizierten gemeldet:

  • Spanien: 40 Fälle, 62 Verdachtsfälle
  • Portugal: 23 Fälle, 11 Verdachtsfälle
  • Großbritannien: 20 Fälle
  • Kanada: 5 Fälle, 18 Verdachtsfälle
  • Belgien: 3 Fälle, 1 Verdachtsfall
  • Deutschland: 3 Fälle
  • Italien: 3 Fälle
  • USA: 2 Fälle, 1 Verdachtsfall
  • Australien: 2 Fälle
  • Niederlande: 2 Fälle
  • Österreich 1 verdachtsfall
  • Frankreich: 1 Fall
  • Griechenland: 1 Verdachtsfall
  • Schweden: 1 Fall
  • Schweiz: 1 Fall

Die meisten Patienten sind Männer zwischen 20 und 55 Jahren; oft handelt es sich um Männer, die Sex mit Männern haben (MSM). Sie haben sich aufgrund von Hautläsionen in Kliniken mit dem Schwerpunkt sexuell übertragbare Erkrankungen vorgestellt. Dort haben Ärzte die virale Infektion diagnostiziert. Generell sind Patienten mit Immundefekten oder mit medikamentös supprimiertem Immunsystem besonders gefährdet.

Droht eine Epidemie mit dem Virus? Das sagen Experten aus Deutschland

„Ich würde dies bereits als eine Epidemie bezeichnen, es ist jedoch sehr unwahrscheinlich, dass diese Epidemie lange dauern wird“, so die Einschätzung von PD Dr. Fabian Leendert (Robert Koch-Institut, Berlin) gegenüber dem "Science Media Center". „Die Fälle über Kontaktverfolgung sind gut einzugrenzen und es gibt auch Medikamente und wirksame Impfstoffe, die gegebenenfalls eingesetzt werden können.“

Prof. Dr. Dr. Gerd Sutter von der LMU München bestätigt: „Die Gefahr einer größeren Epidemie in Deutschland beziehungsweise Europa ist … als gering einzuschätzen und auch die Möglichkeit eines Übertritts des Virus in Tierreservoirs in Europa erscheint unwahrscheinlich.“ Und: „Bei den aktuell in Europa beobachteten Fällen von Affenpocken handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls um ursprünglich aus Nigeria eingeschleppte Infektionen (Index-Fall in Großbritannien), die jetzt vermutlich in begrenzten Infektionsketten weiter von Mensch zu Mensch übertragen werden.“

Systematische Einordnung des Affenpockenvirus

Affenpocken sind eine seltene Krankheit, die durch eine Infektion mit dem Affenpockenvirus verursacht wird. Dieses Doppelstrang-DNA-Virus gehört zur Gattung der Orthopoxviren und zur Familie der Poxviridae. Die Gattung Orthopoxvirus umfasst auch das Variolavirus, das Pocken verursacht, das Vacciniavirus, das im Pockenimpfstoff verwendet wird, und das Kuhpockenvirus.

Ein Blick auf die Geschichte

Affenpocken wurden erstmals 1958 entdeckt, als zwei Ausbrüche einer pockenähnlichen Krankheit in Affenkolonien auftraten. Die Tiere wurden zu Forschungszwecken gehalten.

Der 1. Fall von Affenpocken beim Menschen wurde 1970 in der Demokratischen Republik Kongo während einer Zeit intensivierter Bemühungen zur Ausrottung der Pocken registriert. Seitdem wurden Affenpocken aus mehreren anderen zentral- und westafrikanischen Ländern gemeldet: Kamerun, Zentralafrikanische Republik, Elfenbeinküste, Demokratische Republik Kongo, Gabun, Liberia, Nigeria, Republik Kongo und Sierra Leone. Die meisten Infektionen gibt es in der Demokratischen Republik Kongo.

Die wichtigsten Übertragungswege von Affenpocken

Die Übertragung von Tier zu Mensch kann durch Biss oder Kratzer, Zubereitung von Bush Meat, direkten Kontakt mit Körperflüssigkeiten oder Läsionsmaterial oder indirekten Kontakt mit Läsionsmaterial, z. B. durch kontaminierte Einstreu, erfolgen. Es wird angenommen, dass die Übertragung von Mensch zu Mensch hauptsächlich durch große Atemtröpfchen oder durch den Kontakt mit Körperflüssigkeiten erfolgt. Auch der Speichel kann infektiös sein. In beiden Fällen dringt das Virus dringt durch verletzte Haut, durch die Atemwege oder die Schleimhäute in den Körper ein.

„Zum Tierreservoir ist … erstaunlich wenig bekannt“, so Fabian Leendertz vom RKI. „Affen selbst, von denen ja die Affenpocken ihren Namen haben, sind ebenfalls Opfer wie wir selbst, nicht Reservoir. Es gibt Berichte zu afrikanischen Eichhörnchen, bei denen das Virus gefunden wurde, andere afrikanische Nagetiere stehen ebenfalls in Verdacht das Reservoir zu sein.“

Typische Symptome

Die Symptome von Affenpocken ähnlich wie die von Pocken, aber meistens deutlich milder. Die Krankheit beginnt mit:

  • Fieber
  • Kopfschmerzen
  • Muskelschmerzen
  • Rückenschmerzen
  • geschwollenen Lymphknoten
  • Schüttelfrost
  • Erschöpfung

Affenpocken lassen Lymphknoten anschwellen, während die bei Pocken nicht beobachtet wird: ein wichtiger Unterschied. Die Inkubationszeit für Affenpocken beträgt normalerweise 7 bis 14 Tage, kann aber zwischen 5 und 21 Tagen liegen. Innerhalb von 1 bis 3 Tagen nach Auftreten des Fiebers entwickeln Patienten einen Hautausschlag. Die Läsionen treten zu Beginn oft im Gesicht auf; später sind auch andere Körperregionen betroffen. Die Hautläsionen durchlaufen die folgenden Stadien:

  • Flecken
  • Papeln
  • Vesikel
  • Pusteln
  • Schorf

Die Krankheit dauert in der Regel 2-4 Wochen. Daten aus Afrika zeigen, dass Affenpocken bei bis zu 1 von 10 Personen zum Tod führen.

„Affenpockenviren treten in 2 unterschiedlichen Formen auf“, erklärt Prof. Dr. Dr. Gerd Sutter von der LMU München. „Infektionen in Zentralafrika können mit schweren generalisierenden Erkrankungen einhergehen, die der mittlerweile weltweit ausgerotteten Menschenpockenerkrankung – Variola, englisch Smallpox – ähnelt.“ Bei Infektionen in Westafrika werden in der Regel mildere Verlaufsformen beobachtet, welche durch das Auftreten von Fieber und meist nur einzelnen Pockenläsionen auf Haut oder Schleimhaut gekennzeichnet sei.

Infektionen mit Affenpocken diagnostizieren

Hautläsionen liefern Ärzten oft den 1. Anhaltspunkt, siehe Folie 6. Auch ohne Reisen in Risikogebiete sollte an das Virus gedacht werden. „Der Nachweis von Affenpockenviren ist für virologische Facheinrichtungen in Deutschland grundsätzlich problemlos möglich“, sagt Gerd Sutter. „Es stehen hierfür etablierte Virus-spezifische PCR-Verfahren, Next-Generation-Sequencing und klassische elektronenmikroskopische Untersuchungen zur Verfügung. Geeignete Proben könnten aus Hautläsionen schnell und unkompliziert gewonnen werden. „Allerdings ist das Auftreten von Affenpocken in Europa ein sehr seltenes Ereignis und die Aufmerksamkeit in der klinischen Praxis zu erhöhen, ist sinnvoll und wichtig für eine konkrete Einschätzung der Ausbreitung der Infektionsereignisse“, gibt Sutter zu bedenken.

Patienten mit Infektionen behandeln

Tecovirimat ist ein antiviraler Wirkstoff, der gegen Orthopoxviren wirksam ist. Es wurde ursprünglich als Therapie gegen Biowaffen-Einsätze mit Pocken entwickelt. Der Wirkstoff blockiert die zelluläre Übertragung des Virus, indem das virale Protein p37 gehemmt wird. Ohne p37 scheitern die Bildung der Virushülle und die Freisetzung der Viren aus infizierten Zellen. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hat Tecovirimat Anfang 2022 gegen Pocken, Affenpocken und Kuhpocken bei Erwachsenen und Kindern mit einem Körpergewicht von mindestens 13 kg zugelassen.

Infektionen vermeiden – wie das gelingt

Es gibt mehrere Maßnahmen, die ergriffen werden können, um eine Infektion mit dem Affenpockenvirus zu verhindern. Die CDC raten:

  • Vermeiden Sie den Kontakt mit Tieren, die das Virus beherbergen könnten.
  • Vermeiden Sie den Kontakt mit Materialien wie Einstreu, die mit einem kranken Tier in Kontakt gekommen sind.
  • Isolieren Sie infizierte Patienten von anderen, die einem Infektionsrisiko ausgesetzt sein könnten.
  • Achten Sie nach Kontakt mit infizierten Tieren oder Menschen auf eine gute Handhygiene. Waschen Sie beispielsweise Ihre Hände mit Wasser und Seife oder verwenden Sie ein Händedesinfektionsmittel auf Alkoholbasis.
  • Bei der Patientenversorgung persönliche Schutzausrüstung verwenden.
  • Impfungen mit einem Vakzin gegen Pocken bieten aufgrund der Kreuzimmunität Schutz.
  • Menschen über 40-50 Jahre sind oft geschützt; Impfungen wurden in den 1970er-Jahren eingestellt, nachdem die Pocken ausgerottet worden waren.

Dieser Artikel ist im Original erschienen auf Medscape.de.