ADA 2022 — Fünf Debatten über Ernährung bei Diabetes-Patienten
- Univadis
- Conference Report
Personen, die mit Diabetes leben, Personen mit Diabetesrisiko und medizinische Fachkräfte, die an der Diabetesbehandlung beteiligt sind, rätseln derzeit über die Informationen und die Fehlinformationen zur Ernährung.
In einem Mini-Symposium bei den 82. wissenschaftlichen Sitzungen der American Diabetes Association (ADA) debattierten Maureen Chomko, RD, CDCES, und Alison Evert, MS, RDN, CDCES, über fünf Hauptstreitpunkte rund um die Ernährung bei Diabetes-Patienten.
Häufigkeit von Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten
In Ernährungsempfehlungen wird oftmals die Bedeutung einer individuellen Planung von Mahlzeiten betont, es liegt jedoch nur sehr wenig Forschung oder Konsens über die Häufigkeit von Mahlzeiten und Zwischenmahlzeiten vor. Die Auswirkungen der Häufigkeit von Mahlzeiten auf den allgemeinen Gesundheitszustand und das Glukosemanagement sind nach wie vor kaum geklärt.
Bei Patienten mit Typ-2-Diabetes (T2D) können drei Mahlzeiten plus drei Zwischenmahlzeiten täglich unnötige Kalorien liefern, und häufiges Essen kann zu chronischer Hyperglykämie führen. Andererseits kann der Verzehr weniger, jedoch großer Mahlzeiten zu großen Schwankungen des Blutzuckerspiegels führen. Bei Patienten mit Typ-1-Diabetes kann ein Muster aus regelmäßigen häufigen, aber kleinen Mahlzeiten, möglichst ohne zusätzliche Zwischenmahlzeiten, beim Glukosemanagement helfen.
Frau Chomko merkt an, dass das Auslassen des Frühstücks und das Essen großer Abendmahlzeiten spät in der Nacht schädliche Gewohnheiten darstellen, die das kardiovaskuläre und kardiometabolische Risiko erhöhen können. Obwohl ein wachsendes Interesse an zeitbeschränkten Essmustern wie dem intermittierenden Fasten besteht, werden gründlichere Evidenzdaten zur Wirksamkeit, zu den Mechanismen und zur Dauerhaftigkeit benötigt.
Makronährstoffe
Die Daten zur Ernährungsbeurteilung in den USA zeigen, dass ~ 50 % der Kalorien aus Kohlenhydraten, ~ 16 % aus Proteinen und ~ 33 % aus Fett stammen. Bis zu 42 % der Kohlenhydrataufnahme stammen immer noch aus Kohlenhydraten geringer Qualität.
Große systematische Überprüfungen durch die ADA (2012) und die Academy of Nutrition and Dietetics (2017) fanden keine optimale Mischung aus Kohlenhydraten, Fett und Proteinen für Diabetes-Patienten.
Im Konsensbericht der ADA zur Ernährung wird vorgeschlagen, dass die Verteilung von Makronährstoffen auf einer individualisierten Beurteilung der Essmuster, Präferenzen und Stoffwechselziele basieren sollte. Die Individualisierung der Makronährstoffzusammensetzung hängt vom Gesundheitszustand und den Stoffwechselzielen der Diabetes-Patienten ab. Frau Chomko empfiehlt, zusammen mit einem aufgeklärten und informierten Patienten den Weg einer „gemeinsamen Entscheidungsfindung“ zu gehen.
Netto-Kohlenhydrate und Ballaststoffe
Der Begriff „Nettokohlenhydrate“ bezieht sich grob auf die Subtraktion der Kohlenhydrate, die nicht vom Körper verdaut werden oder die zwar verdaut, jedoch nicht in Glukose umgewandelt werden. Zu diesen Kohlenhydraten zählen vor allem die natürlich in Nahrungsmitteln vorkommenden Alkohole sowie Ballaststoffe.
Es bleibt jedoch die Tatsache, dass nicht alle Ballaststoffe gleich sind. Wir wissen, dass unlösliche Ballaststoffe keine Kalorien beitragen. Es ist jedoch nicht klar, wieviel Kohlenhydrate und Kalorien aus verdauten löslichen Ballaststoffen stammen. Auf den meisten Lebensmitteletiketten wird nicht zwischen löslichen und unlöslichen Ballaststoffen unterschieden. Auch sind nicht alle Zuckeralkohole gleich. Trotz der Aussagen von Lebensmittelherstellern beeinflussen Zuckeralkohole die postprandiale Blutzuckerreaktion.
Die Annahme, dass die Blutzuckerreaktion auf alle Ballaststoffe und Zuckeralkohole leicht vorhergesagt werden kann und bei jeder Person ähnlich ist, entspricht nicht der Wahrheit.
Frau Evert empfiehlt, dass Patienten, die Ernährungsmaßnahmen und Bewegung und/oder Therapien ohne Insulin anwenden, die Praxis der Subtraktion von Ballaststoffen beenden und nach Möglichkeiten suchen sollten, mehr Ballaststoffe zu essen. Patienten, die Insulin anwenden, sollten mit der Gesamt-Grammzahl der Kohlenhydrate rechnen und die prä- und postprandialen Glukosewerte überwachen, wenn sie ballaststoffreiche Nahrungsmittel oder Zuckeralkohole zu sich nehmen.
Es ist wichtig, dass Ärzte die Patienten über die glykämischen Auswirkungen von Zuckeralkoholen aufklären und die gastrointestinalen Auswirkungen von Zuckeralkoholen, wie z. B. eine osmotische Diarrhö, überwachen.
Künstliche Süßstoffe
Der erste Vorbehalt gegenüber künstlichen Süßstoffen besteht darin, dass sie sich hinsichtlich der Absorption, Verteilung, Verstoffwechselung und Ausscheidung unterscheiden.
Der zweite Vorbehalt gegenüber künstlichen Süßstoffen besteht darin, dass sie nicht isoliert konsumiert werden. Diät-Limonaden und extravagante zuckerfreie Desserts können mehr als einen künstlichen Süßstoff enthalten. Darüber hinaus finden sich künstliche Süßstoffe immer häufiger auch in Haushaltsprodukten, zum Beispiel in Zahnpasta.
Der dritte Vorbehalt gegenüber künstlichen Süßstoffen besteht darin, dass es schwierig ist, die Auswirkungen einzelner künstlicher Süßstoffe im Rahmen der komplexen Ernährung, der Hintergründe und dem Umfeld einer Person isoliert zu bestimmen.
Eine Metaanalyse randomisierter kontrollierter Studien ergab keine signifikante Auswirkung künstlicher Süßstoffe auf den Body-Mass-Index (BMI), was darauf hindeutet, dass sie bei der Gewichtsabnahme keinen Nutzen erzielen. Vielmehr fand eine Metaanalyse von Kohortenstudien einen leichten Anstieg des BMI, was auf das Risiko einer mäßigen, langfristigen Gewichtszunahme mit künstlichen Süßstoffen hindeutet. Die Analyse von Kohortenstudien ergab zudem erhöhte Risiken für Hypertonie, metabolisches Syndrom, T2D und kardiovaskuläre Ereignisse, die mit der Verwendung künstlicher Süßstoffe assoziiert sind.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass künstliche Süßstoffe potenzielle unerwünschte Wirkungen haben können, die zugrunde liegenden Mechanismen jedoch nicht eindeutig bekannt sind, und dass die unerwünschten Wirkungen jeglichen potenziellen Nutzen, den diese Süßungsmittel bieten, zunichte machen.
Unbedenklichkeit kohlenhydratarmer/ketogener Diäten
Eine sehr kohlenhydratarme/ketogene Ernährung (VLCKD) geht mit einer hohen Aufnahme an Fett (50–80 % der Kalorien), einer mäßigen Aufnahme von Proteinen und einer geringen, jedoch inkonsistenten Aufnahme von Kohlenhydraten (10–26 % der Gesamtenergie) einher.
Bei Diabetes-Patienten mit einer bekannten oder in der Familienanamnese vorliegenden Dyslipidämie/kardiovaskulären Erkrankung ist es wichtig, vor Beginn einer VLCKD die Baseline-Lipidwerte zu bestimmen, gefolgt von weiteren Lipidbestimmungen 4–12 Wochen später, um sicherzustellen, dass kein signifikanter Anstieg des Low-density-Lipoprotein-Cholesterin vorliegt.
Bei Patienten, die Insulin und Sulfonylharnstoffe anwenden, wird eine Dosisreduktion empfohlen, um zu Beginn einer VLCKD Hypoglykämien zu verhindern. Natrium-Glukose-Cotransporter-2-Inhibitoren sollten während einer VLCKD nicht angewendet werden, da die Möglichkeit einer euglykämischen diabetischen Ketoazidose besteht. Hypovolämie stellt bei Patienten, die Diuretika anwenden eine Problematik der VLCKD dar. Deshalb ist es wichtig, sicherzustellen, dass sie ausreichend Natrium und Kalium zu sich nehmen.
Weitere potenzielle Sicherheitsbedenken in Verbindung mit einer VLCKD sind Risiken für Nierensteine, Osteoporose, Obstipation, Hypothyreose und gestörtes Essverhalten. Darüber hinaus bestehen Bedenken, dass eine VLCKD negative Auswirkungen auf die Zusammensetzung der Darm-Mikroflora haben könnte.
Abschließend erklärte Frau Evert, dass eine VLCKD für die meisten Diabetiker mit Medikamentenanpassungen und unter regelmäßiger Laborüberwachung kurzfristig sicher sein kann. Die langfristige Sicherheit einer VLCKD muss weiter untersucht werden.
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