ADA 2022 — Aufdecken der versteckten Gefahr von Suizid und Selbstverletzung bei Diabetes

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In einem Symposium bei den 82nd Scientific Sessions der American Diabetes Association (ADA) diskutiert Prof. Katharine Barnard-Kelly, Ph.D., Vorsitzende des Führungsausschusses der „FDA Reducing Suicide Rates Among Individuals with Diabetes (RESCUE) Collaborative Community“, die Beziehung zwischen Suizid/Selbstverletzung und Typ-1-Diabetes (T1D).

Das Suizidrisiko ist bei Personen mit Diabetes, insbesondere bei T1D, signifikant höher und könnte bis zu 7 % der Sterbefälle in dieser Population ausmachen. In Wirklichkeit könnte dies jedoch auch nur die Spitze des Eisbergs sein.

Was die Daten ans Licht bringen

Suizidgedanken treten bei 15 % der Personen mit T1D auf, gegenüber 9,4 % in der Allgemeinbevölkerung. Diese Zahl kann bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen mit T1D bis zu 61 % betragen. Bei Personen mit T1D ist die Wahrscheinlichkeit, einen Suizidversuch zu unternehmen, drei- bis viermal höher. Die Weltgesundheitsorganisation schätzt, dass bei Menschen mit Diabetes auf jeden Tod durch Suizid mindestens 20 Suizidversuche kommen.

Die Komplexität des Verhaltens vorsätzlicher Selbstverletzung (intentional self-injury, ISI) ist bei Personen mit T1D unterschiedlich. Abgesehen von den typischen selbstverletzenden Handlungen wenden diese Personen wahrscheinlich auch Insulin bewusst falsch und in der Absicht an, sich selbst zu schaden.

Die Suizid- und ISI-Raten werden bei Personen mit T1D wahrscheinlich wesentlich unterschätzt. In einer Studie mit 160 Fällen von Insulinüberdosierung wurde festgestellt, dass 90 % der Fälle entweder suizidal oder parasuizidal waren und nur 5 % versehentlich aufgetreten sind. Ein weiteres Problem besteht darin, dass Sterbeurkunden oder die „International Classification of Diseases (ICD) Codes“, die zur Meldung der Todesursachen verwendet werden, oft unzuverlässig sind, was zum Erhebungsdefizit aufgrund nicht gemeldeter Suizidereignisse bei T1D beiträgt.

Darüber hinaus gibt es geschlechtsspezifische Unterschiede beim Suizidrisiko. Die Wahrscheinlichkeit, dass Männer Suizid begehen, ist höher als bei Frauen, während Frauen mehr Suizidversuche unternehmen. Zudem suchen Männer auch seltener Hilfe für ihre psychischen Gesundheitsprobleme.

Warum ist das Risiko bei Diabetes höher?

Das Diabetesmanagement wird immer belastender und komplexer, und für viele kann es mit Depressionen, Selbstverletzung, Suizidgedanken sowie Suizidhandlungen assoziiert sein. Diabetes an sich ist eine psychologisch anspruchsvolle Erkrankung. Selbst mit den Verbesserungen bei der medizinischen Behandlung von T1D bleibt die emotionale und psychologische Belastung eines Lebens mit Diabetes ungelöst.

Menschen, die ihren Diabetes selbst managen, machen sich oft Sorgen um ihren Selbstwert und um die Stärke ihrer Beziehungen, darüber, was die Zukunft für sie bereithält und über ihre Möglichkeiten für Bildung und berufliche Beschäftigung.

Die Rolle der Technologie

In der Diabetestechnologie wurden signifikante Fortschritte gemacht, die zu Verbesserungen bei der glykämischen Kontrolle, der Lebensqualität und der psychosozialen Funktion geführt haben. Die psychologische Belastung, die mit der Verwendung dieser komplexen Systeme verbunden ist, ist jedoch nach wie vor unerkannt.

Prof. Barnard-Kelly betont, dass die Technologie NICHT die Ursache für Suizid und ISI ist, sondern dass sie es Ärzten ermöglicht hat, das Ausmaß der Problematik zu erkennen. Die Technologien bieten jedoch einfachere Methoden für verletzendes Verhalten, indem sie die Insulinverabreichung und den möglichen Missbrauch vereinfachen.

Herausforderungen bei der Erkennung

Die derzeit verfügbaren Screening-Tools für Depression und Suizid sind bei der Erkennung des Suizidrisikos bei Personen mit T1D nicht ausreichend wirksam.

Medizinische Fachkräfte schätzen das Suizidrisiko ihrer Patienten nicht nur nicht richtig ein, sondern fühlen sich oft nicht dabei unterstützt, dieses Problem in Angriff nehmen.

FDA RESCUE Collaborative Community

Die „FDA RESCUE Collaborative Community“ wurde mit dem Ziel gegründet, die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen, am Diabetesmanagement beteiligten Interessengruppen zu vereinfachen, um die Erkennung von Suizid und ISI bei Menschen mit Diabetes zu verbessern und Risikopersonen die notwendige Unterstützung zu bieten.