„Alpha-Stim“-Gerät lindert Depressionen nicht besser als Scheinstimulation

  • Michael Simm
  • Studien – kurz & knapp
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Kernbotschaften

Eine „patentierte elektrische Wellenform“, die von einem Minicomputer gesteuert und durch die Ohrläppchen angeblich zum Gehirn geleitet wird, hat sich in einer randomisierten klinischen Studie bei Patienten mit einer schweren depressiven Episode nicht bewährt. Es gab zwar nach 16 Wochen eine Verbesserung auf der Hamilton-Skala – allerdings keine statistisch signifikante Differenz zu einer Scheinstimulation. 

Hintergrund

Das „ Alpha-Stim Anxiety Insomnia and Depression (AID) Device” ist ein Gerät von der Größe eines Fahrradcomputers, das vom Hersteller als eine „Medikamenten-freie Behandlung, die funktioniert“ beworben wird. Es kostet knapp 800 Euro und soll mittels transkranieller Elektrostimulation gegen Schmerzen, Angst- und Schlafstörungen sowie Depressionen helfen. In den USA hat die Zulassungsbehörde FDA eine Genehmigung zum heimischen Gebrauch erteilt, in Europa gibt es lediglich eine CE-Kennzeichnung, wofür der Hersteller u.a. bestätigen muss, dass das Produkt den geltenden Anforderungen der Gemeinschaft genügt. Zur Funktionsweise heißt es auf der Webseite, man verwende eine „patentierte elektrische Wellenform“. Diese wird durch zwei Elektroden geleitet, die an den Ohrläppchen angebracht und vom AID gesteuert werden.

Design

Randomisierte, mittels Scheinbehandlung kontrollierte Studie zur klinischen Wirksamkeit des AID-Geräts bei einer schweren depressiven Episode mit 236 Teilnehmern ab 16 Jahren in 25 englischen Zentren der Primärversorgung. Die Probanden waren zu 66 % weiblich und durchschnittlich 38 Jahre alt. Die Diagnose wurde anhand des 9-teiligen „Patient Health Questionaire“ gestellt, wobei das Einschlusskriterium war, dass in den zurückliegenden 3 Monaten über mindestens 6 Wochen Antidepressiva angeboten oder verschrieben und eingenommen wurden. Die Anwendung erfolgte über 8 Wochen für jeweils 1 Stunde täglich mit 100 µA oder Scheinstimulierung. Das primäre Studienziel war die Veränderung gegenüber dem Ausgangswert auf der Hamilton-Depressionsskala (GRID-HDRS-17) nach 16 Wochen.

Ergebnisse

  • In der Intention-to-treat-Analyse verbesserte der GRID-HDRS-17 sich unter aktiver Stimulierung um durchschnittlich 5,9 Punkte (95%-Konfidenzintervall -7,1 bis – 4,8). Mit der Scheinstimulation waren es 6,5 Punkte (95%-KI -7,7 bis -5,4).
  • Die durchschnittliche Differenz betrug – 0,6 Punkte, hatte ein 95%-KI von -1,0 bis 2,2, und war statistisch nicht signifikant (p = 0,46).
  • Nebenwirkungen wurden von 17 Teilnehmern gemeldet; sie waren mit 9:8 zwischen den beiden Gruppen annähernd gleich verteilt. Zusätzlich hatte ein Teilnehmer aus der scheinstimulierten Gruppe über Selbstmordgedanken berichtet, ein Zusammenhang mit dem Prüfgerät wurde aber von den Studienärzten verneint.  

Klinische Bedeutung

Die Autoren bescheinigen dem AID, „sicher und akzeptabel“ zu sein. Gegen Depressionen ist das Gerät allerdings klinisch nicht wirksamer als eine Scheinstimulation.

Finanzierung: UK National Institute for Health and Care Research (NIHR). Der Hersteller Electromedical Products International hat die Geräte bereitgestellt sowie zusätzliche Behandlungskosten übernommen und die ökonomische Bewertung bezuschusst.